Paruresis Basiswissen

Was genau ist Paruresis?

Paruresis ist eine Angststörung, die dazu führt, dass Betroffene bei tatsächlicher oder gefühlter Anwesenheit anderer nicht urinieren können.

Paruresis bedeutet, sich außerhalb der eigenen vier Wände ständig fragen zu müssen, wann und wo man wieder eine „sichere“ Toilette finden kann, auf der man sich entleeren kann. Um sich diesem Stress zu entziehen, versuchen Betroffene die Situation auf öffentlichen Toiletten möglichst zu vermeiden, z.B. indem sie weniger trinken oder sich von gesellschaftlichen Anlässen zurückziehen. Das führt mittelfristig jedoch nur dazu, dass sich die Anspannung auf öffentlichen weiter verstärkt und erhebliche Einschränkungen im Alltag mit sich bringt.

Funktionsweise der Blase

An der Entleerung der Blase sind verschiedene Muskeln beteiligt: der Blasenmuskel (Detrusor) und die Harnröhrenschließmuskeln (Sphinkter).

Während sich die Blase mit Urin füllt, entspannt sich der Blasenmuskel. Die Sphinkter dagegen ziehen sich zusammen, um ein ungewolltes Austreten von Urin zu verhindern.

Ist die Blase etwa zu drei Vierteln gefüllt und der Blasendruck gestiegen, beginnt man zunehmend, einen Harndrang zu verspüren. Die Sphinkter bleiben (im Normalfall) solange angespannt, bis man dem Wasserlassen sozusagen „zustimmt“ und z. B. eine Toilette aufsucht. Das Gehirn weist dann die Sphinkter an, sich zu entspannen, während der Blasenmuskel leicht angespannt wird. So kommt es zur Entleerung der Blase. Ist dieser Vorgang beendet, ziehen sich die Sphinkter wieder zusammen und die Blasenmuskulatur entspannt sich – die Blase füllt sich erneut …

Eine psychische Blockade

Paruresis-Betroffene verspüren wie jeder andere bei stark gefüllter Blase den Drang zum Urinieren. Jedoch haben sie aufgrund eines traumatisierenden Erlebnisses Schwierigkeiten, ihre Harnröhrenmuskeln (Sphinkter) zu entspannen. Es besteht also eine psychische Blockade, so dass das Gehirn die an der Entleerung beteiligten Muskeln nicht normal steuern kann.

Betroffene können zum einen versuchen, diese psychische Blockade zu überwinden, etwa in einer Verhaltenstherapie. Zum anderen kann man lernen, das An- und Entspannen der Sphinkter bewusster zu steuern.

Wie entsteht Paruresis?

Beim Auftreten von Paruresis, also einer psychisch bedingten Entleerungsstörung, spielen zwei Faktoren eine wichtige Rolle (sog. Zwei-Faktoren-Modell).

Zunächst kommt es (häufig auf einer öffentlichen Toilette) zu einem traumatisierenden bzw. schamauslösenden Erlebnis. Beispielsweise fühlen sich die Betroffenen durch eine mangelnde räumliche Distanz zu anderen Personen oder auch durch die bloße Anwesenheit Anderer in ihrer Privatsphäre bedroht. Es ist ihnen unangenehm, dass andere ihnen beim Wasserlassen zusehen und / oder zuhören können. Aber auch emotionale Zustände wie Prüfungsangst oder Leistungsdruck können eine Rolle spielen.

Dadurch baut sich eine Angst davor auf, dass sich diese Situation wiederholt. Diese Angst bewirkt im Weiteren eine Sympathikusaktivierung (Anspannung), die urethralen Sphinkter (Muskeln in der Blasengegend, die an der Entleerung beteiligt sind) verkrampfen sich und der Harnausfluss wird verhindert.

Die Herausforderung bei Paruresis: Urinale und Kabinen auf einer öffentlichen Toilette

Die Betroffenen fürchten sich vor bestimmten Situationen und erwarten, dass sie in diesen nicht urinieren können, was sich (durch die Anspannung) bestätigt. Die Folge ist meist ein Vermeidungsverhalten, die Betroffenen umgehen nun Furcht erregende Situationen. Dadurch bleibt das Problem, die Verknüpfung „Situation & Angstreaktion“, erhalten.

Wie verbreitet ist Paruresis?

Das Wissen um Paruresis ist allgemein wenig verbreitet, sodass sogar viele Betroffene nicht wissen, dass es einen Namen für ihr Problem gibt. Laut repräsentativen Studien in Deutschland sind aber ca. 3% der Bevölkerung von dem Problem betroffen.

Fraglich ist noch immer, in welchem Maße Frauen von Paruresis betroffen sind. In der Vergangenheit waren es unter 10 Betroffenen 9 Männer, die Hilfe gesucht haben. Man ging daher davon aus, dass Paruresis hauptsächlich ein Männer-Problem ist. Diese Annahme wird jedoch zunehmend angezweifelt – u.a. seitdem sich in der zweiten Studie von Prof. Hammelstein überraschend eine etwas höhere Betroffenheit von Frauen als von Männern ergab. Die Tatsache, dass mehr Männer Hilfe suchen, lässt sich womöglich durch das Vorhandensein von Urinalen erklären. Urinale erschweren es, das Problem zu verbergen und erhöhen damit den Leidensdruck von Betroffenen.